(Aus der NOZ: Tim Gallandi Bernd Fischer)
Ein Tag statt zwei Abende, zwölf Bands, elf Stunden Musik – und 2500
Besucher und Mitwirkende waren dabei: Das Meppener Kleinstadtfestival
als vergrößerte Version des früheren Kleinstadtfestes hat auf dem
Freibadgelände am Jam eine Premiere gefeiert, die allerhand Vergnügen
bereitete.
Das Schuhwerk reichte von Chucks bis Birkenstocks, die T‑Shirt-Logos verwiesen auf Ramones und Buzzcocks, Metallica und Dead Kennedys, Beatles und Wacken. Ein sehr vielfältiges Publikum hatte sich am Samstag zwischen Jam und Freibad in Meppen eingefunden. Das Meppener Jugendzentrum Jam und die Kleinstadtkinder – ein Team aus gut und gerne 80 Ehrenamtlichen – brachten sie zusammen. Der Hitzewelle zum Trotz wurde ausgiebig getanzt. So ausgiebig, dass bis in den Abend hinein ab und zu Wasser aus dem Schlauch Abkühlung bereiten musste.
Helfer, Sponsoren, Gäste und Bands mitgerechnet, waren nach Veranstalter-Angaben rund 2500 Leute auf dem Gelände. Bestes Festivalwetter, friedliche, entspannte Atmosphäre vor dem Panorama der Stadtwall-Bäume – am Drumherum stimmte nahezu alles. Nicht optimal war allein eine logistische Sache: Während die Getränke-Versorgung problemlos verlief, gab es lediglich einen einzigen Essensstand; zu lange Schlangen und Wartezeiten waren die Folge. Das kann besser werden.
Band für Band
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Bei Temperaturen von knapp über 30 Grad Celsius waren The Hawaiians mit ihrem tropischen Bandnamen offensichtlich der perfekte Opener. Den eigentlichen undankbaren Platz als erste Band wusste Frontmann Beppo Amaretto mit Augenzwinkern zu nehmen: „Wir werden eine Headliner-Show spielen, nur halt als erstes!“ Dementsprechend zockte das Trio aus Westerkappeln und Meppen in 30 Minuten ohne nennenswerte Pause sportliche 16 Lieder und bescherte den frühen Besuchern mit einem Mix aus Ramones-inspiriertem Drei-Akkord-Punkrock und Sixties-Bubblegum-Sound bereits einige Singalongs und Ohrwürmer. Als Gast wurde in der ersten Reihe unter anderem Guido Donot gesichtet.
Der Sound änderte sich anschließend mit Eisenkarl, der Meppener Institution im Bereich Metal- und Hardrock-Cover. Erst im Mai hatte sich die Band vom alten Frontmann getrennt, es durfte also vorab gerätselt werden wer beim Kleinstadtfestival für das Mikrofon zuständig sein würde. Letztendlich teilten sich die Gitarrist Dominik und Bassist Nille alle Gesänge in einem Klassikerset und machten das auch ganz beachtlich. Ohnehin konnten sich Eisenkarl auch an diesem Tag auf ihre Meppener Fanbase verlassen, sodass trotz Sommerhitze erste echte Partystimmung aufkam. Der neue Sänger wird seine Feuertaufe übrigens Ende des Jahres beim Christmas Metal Meeting haben, der Vorverkauf dafür beginnt am 1. August.
Weiter ging es mit den Meppenern Against Randy, die sozusagen zum Inventar gehören. Sie haben seit 2013 bei jedem Kleinstadtfest gespielt und gingen folglich am Samstag in „das verflixte siebte Jahr“. Die Jungs absolvierten den Auftritt mit ihrem partytauglichen Alternativerock aber natürlich cool wie immer und gaben damit quasi bereits die Visitenkarte für 2020 ab.
Mit Hi! Spencer folgten ebenfalls alte Bekannte. Die Osnabrücker Band war bereits 2017 auf dem Kleinstadtfest zu Gast und spielte noch im Mai diesen Jahres eine erfolgreiche Clubshow im Jam. Auch am Samstag zündete ihr deutschsprachiger Indiepunk sehr gut, und es war zu merken, dass viele Zuschauer wegen ihnen angereist waren. Sänger Sven Bensmann ist überregional auch als Comedian bekannt und wird im März 2020 die sechste Auflage der Meppener Kleinstadtcomedy präsentieren.
Als Nächstes gab sich ein Mann mit klangvollem (Künstler-)Namen die Ehre. CJ Ramone war in der Spätphase der New Yorker Punkrock-Ikonen Ramones deren Bassist; nun hält er deren musikalisches Erbe lebendig.Ergänzt durch eine Handvoll eigene Songs wie “Stand Up”, jagten CJ und seine Band vorwiegend durch die klassische Ramones-Ära der späten 70er und frühen 80er – und das ebenso lässig wie atemberaubend temporeich: “Rockaway Beach”, “Commando”, “I Wanna Be Sedated”, “Blitzkrieg Bop”, alles dabei. Das Publikum ging begeistert mit, und im Pogo-Moshpit vor der Bühne wurde reichlich Staub aufgewirbelt.
Das Hip-Hop-Banner hielten anschließend Weekend und seine Crew hoch. Der Gelsenkirchener, bürgerlich Christoph Wiegand, stellte denn auch zu Anfang fest: “Wir sind die verrückten Rapper, die sich auf ein Punkkonzert trauen.”Im neuen Jam war Weekend schon bei dessen Eröffnung 2017 aufgetreten, und auch diesmal zelebrierte er Normalität und Bescheidenheit als Antithese zum protzenden Gangsta-Rap. Und skandierte: “Das hier ist Leben wie auf Klassenfahrt.” Seiner Aufforderung, ein paar Hip-Hop-Moves zu machen, kam die Menge ohne Zögern nach. “Yeah, und schon ist es ein Hip-Hop-Konzert”, kommentierte Weekend.
“Black Feathers” und “Turning Shadows” hatte es mehr als drei Jahre nicht mehr live in der Region zu hören gegeben. Beim Kleinstadtfestival, an dem sie zum ersten Mal mitwirkten, änderten Razz diesen Umstand. Das Ohrwurm-erzeugende Riff von “Could Sleep” eröffnete die Show, mit der die überregional bekannteste Band aus dem Emsland, inzwischen in Berlin ansässig, ihr Wiedersehen mit den Fans in der alten Heimat feierte.
Für diese gab es ein Wiederhören mit dem geradlinigen Indierock samt ein paar Elektro-Einflüssen, dazu als Signatur-Element Niklas Keisers einprägsame Stimme. Neben Bekanntem wie “Let It In, Let It Out” präsentierten Razz auch Kostproben neuer Stücke, denn sie arbeiten an ihrem dritten Studioalbum.
Abgesehen von CJ Ramone, der aber gerade auf Deutschlandtour war, hatten Itchy den weitesten Weg nach Meppen zurückgelegt: aus dem schwäbischen Eislingen an der Fils. Und anders als Razz bei deren Heimspiel musste sich das Trio, obwohl Headliner, nach eigenem Bekunden “die Anerkennung erst erspielen”.
Das fiel ihnen mit energiegeladenen Indierocksongs zum Mitfeiern – à la “Why Still Bother” – vor einer Menge textsicherer Fans nicht schwer. Für das sozialkritische “The Sea” machten Gitarrist Sibbi und Bassist Panzer einen Ausflug ins Publikum, spannten Konzertbesucher Roland ein, der schon bei CJ Ramone unermüdlich ein “Gabba Gabba Hey”-Schild geschwenkt hatte, und brachten die Menge zu einer Art Sit-in inklusive Smartphone-Lichtern.
Mit einem von Ska- und Reggae-Elementen durchzogenen Punkrock-Konzert, das die Masse einmal mehr zum Tanzen brachte, warteten Sondaschule auf. Die Truppe aus dem Ruhrgebiet um Frontmann Costa Cannabis propagierte musikalisch eine nur scheinbar “Schöne neue Welt”, nahm mit in die nach ihrem Empfinden weltschönste Stadt “Amsterdam” und trauerte im melancholischen “RIP Audio” der analogen Musikwelt nach.
Während sich all das auf der Hauptbühne und drumherum abspielte, überbrückten auf der benachbarten Containerbühne Acoustic Steel und Civil Courage die Zeit während der Umbaupausen. Acoustic Steel boten akustische Versionen von Rock- und Metal-Klassikern, von Journeys “Don’t Stop Believin’” bis zum vom Publikum inbrünstig mitgesungenen “Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist” von Die Kassierer.
Civil Courage aus Lähden wiederum spielten unter anderem das Titelstück ihres Albums “Wie Bud Spencer und Terence Hill”, ließen mit “Blau-Weiße Macht” die Fans des SV Meppen schwelgen und coverten den Ärzte-Klassiker “Schrei nach Liebe”.
Das Finale bestritten dann Montreal. Die drei Hanseaten schleuderten flotten Punkrock in die Menge, beschworen die “Walkman Revolution”, erklärten “Kino” zur ungeeignetsten Ausgeh-Option am Wochenende. Am lautesten mitgesungen wurde indes ihr eigenwilliges Coverstück “Katharine, Katharine”.
Ein amtlicher Abschluss nach elf Festivalstunden. Gerne wieder – das gilt für Montreals Gig wie für das Kleinstadtfestival insgesamt.
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